"Zwischen Vanille und Schokolade"

Nürtinger Zeitung über Café Seegras "Gewalt"

Café Seegras beleuchtete Gewalt aus unterschiedlichen Blickwinkeln

NÜRTINGEN (to). „Gewalt hat viele Gesichter“, so lautet das Motto der Gewaltpräventionswochen, die derzeit in Nürtingen stattfinden. Dass es auch viele Möglichkeiten gibt, mit Gewalt produktiv umzugehen, zeigte sich kürzlich im Café Seegras in der Alten Seegrasspinnerei. Der Moderator Thomas Oser hatte Gäste zu den Bereichen Kampfsport, Meditation und Sadomasochismus eingeladen.

Ohne Scheu kreiste das Gespräch um die mögliche Faszination von Gewalt und um ihre Überwindung. Einig war man sich am Ende darin, dass Spaß am Kampf und Schmerz nicht einfach mit Gewalt gleichgesetzt werden kann. Der ehemalige deutsche Karatemeister Manfred Bühler aus Nürtingen wies darauf hin, dass sein Sport viel mit Höflichkeit und Respekt vor dem Gegner zu tun habe. Neuere Auswüchse wie Käfigkämpfe, bei denen es darum geht, dass sich die Kämpfer ernsthaft und publikumswirksam verletzen, lehnte Bühler entschieden ab. Für junge Menschen, die Bühler in seiner Nürtinger Schule unterrichtet, sieht er in Karate eine gute Möglichkeit, bewusst und verantwortlich mit Gewalt umzugehen.

Der Philosoph Frank Taherkhani, der eine Selbstverteidigungsschule in Göppingen leitet, sieht die Faszination des Kampfsports darin, dass er zu einem „Flow“ führen kann: „Man kann sich nach jahrelanger Übung im Kampf vergessen und im Hier und Jetzt sein; ganz ähnlich einem Klavierspieler, der ganz in seiner Musik aufgeht.

“Hier zeigte sich eine Übereinstimmung mit der Meditation. Diese, so der Reutlinger Buddhist Achim Richter, beruhige den Geist und vermittle die Fähigkeit, mit einer Situation richtig umzugehen. Richter widersprach auch der verbreiteten Einschätzung, Buddhisten seien einfach nur sanftmütige Menschen. Es gehe ihnen zwar vor allem um die Vermeidung von Gewalt, es käme aber auch darauf an, bei Konflikten aktiv einzugreifen, um Schlimmeres zu verhüten.

Gespannt warteten die rund 40 Besucher im Café Seegras auf Vera Weber aus Stuttgart, die als eine von ganz wenigen öffentlich über ihre Neigung Sadomasochismus redet. Müßig sei es, über deren Ursprung zu diskutieren: „Der eine mag eben Vanille, der andere Schoko.“ Die Vermutung, dahinter stecke versteckte Gewalt, die zu Aggression und Feindseligkeit führe, sei ein Vorurteil.

Weber beschrieb den Unterschied zwischen der aktiven und der passiven Rolle: Als Aktiver habe man Verantwortung, und der Kitzel bestehe darin, wie man den anderen dazu bringt, sich hinzugeben. Für den Passiven sei es dagegen, so Weber, ein „Fliegen voller Klarheit“, da jegliche Verantwortung abfalle. Für Frank Taherkhani sei Sadomasochismus nicht mit Gewalt gleichzusetzen, weil hierbei nichts ohne das Einverständnis aller Beteiligten geschehe.