Der Heimatkrimi trotzt dem Stromausfall

„Tatort Waschsalon“: Im Rahmen der Nürtinger Krimitage wurde „die Trommel“ zum Schauplatz

 

VON HEINZ BÖHLER (Nürtinger Zeitung)
 
NÜRTINGEN. Schmutzige Wäsche waschen und gestrecktes Koks verticken – im Herzen Nürtingens blüht das Verbrechen wie anderswo auch. Doch bei Mord hat der Spaß ein Ende. Da gehen sogar die Lichter aus. Die Erfahrung mussten am Mittwochabend die Kripo-Kommissare Lennert und Pfisterer zusammen mit den etwa 40 Besuchern des in der Neuffener Straße gelegenen Waschsalons „die Trommel“ machen, während sie darüber rätselten, wie ein hinterrücks Erschlagener auf eine solch groteske Weise auf dem kalten Fliesenboden zu liegen gekommen sein mochte.
Unter der Leitung von Regisseur Thomas Oser führte die Theatergruppe „Improvisieren“ im Rahmen der Nürtinger Krimi-Tage das selbst erarbeitete Stück „Tatort Waschsalon“ auf und heimste mit dem ebenso gewitzten, wie engagiert in Szene gesetzten Heimat-Krimi einen bemerkenswerten Erfolg ein.
Dabei sah es zunächst gar nicht gut aus für die bereits einmal um eine Woche verschobene Aufführung des Stückes, denn pünktlich zur Anfangszeit um 19.30 Uhr verabschiedete sich in mehreren Straßenzügen des östlich der Bahnlinie gelegenen Teiles der Stadt die Stromversorgung. Doch der Name der Theatergruppe erwies sich als Programm, denn nun war wirklich „Improvisieren“ angesagt. Ein Besucher entsann sich seiner Kontakte und besorgte in Windeseile ein Sortiment batteriebetriebener Leuchtmittel, die es den Akteuren zumindest vorläufig ermöglichten, wenn auch verspätet, mit der Aufführung zu beginnen.
Ein Mann, Herbert Seiler, Facharbeiter bei einem Nürtinger Maschinenbauer und Freund der Inhaberin des Waschsalons Constanze Bauerling, liegt eines Morgens mit eingeschlagenem Schädel vor der Bullaugenfront der Waschmaschinen. Schnell ist die Polizei alarmiert und beginnt mit ihren Untersuchungen. Es stellt sich heraus, dass die „Waschküche“, wie sich Hauptkommissar Pfisterer einmal leicht despektierlich über den Tatort äußert, eine beliebte Anlaufstelle für junge Männer „ohne Wäsche“ ist.
Mit Hilfe der Vermieterin des Waschsalons gelingt es Pfisterer und seinem Assistenten Jean-Jacques Lennert, herauszufinden, dass sich „Waschfrau“ Constanze mit Drogengeschäften ein nicht unbeträchtliches Zubrot verdient. Dumm nur, dass das mit Waschmittel gestreckte Koks vor einiger Zeit ein Todesopfer gefordert hat und die Mutter des Opfers, Kundin des Waschsalons, dahinter kommt und versucht, die von „Trommel“-Inhaberin Stefanie Sochart-Damitz dargestellte Constanze zu ermorden.
Das können die Kommissare eben noch verhindern. Sie finden heraus, dass der aktuell untersuchte Mord eigentlich ein Unfall war, an dem jedoch die paranoide Adoptivtochter der „Waschfrau“ Constanze nicht ganz unschuldig war.
Das nicht ganz ernst gemeinte Stück, das sich natürlich trotzdem so oder ähnlich in Nürtingen oder überall hätte zutragen können, bekam mit der Rückkehr der elektrischen Spannung immer mehr Dynamik, auch wenn das improvisierte Moment die Dialoge, denen ein nur grob gefasster Handlungsstrang viel Freiraum ließ, und die Szenerie weiterhin beherrschte. So blieb es der Lust und Laune der Darsteller überlassen, dem Lokalkolorit mehr oder weniger Raum zu lassen. Da suchte sich die Täterin Hanni, Studentin der Nürtinger Kunstakademie, ihr Asyl im den Polizisten gar nicht bekannten „Provi“: „ProVi?“ - „Ja, der Kulturverein im K3N. Das kennt man in Nürtingen!“ Auch die Lieblingsbeschäftigung der Vermieterin Magda Müller (Sibylle Jannasch-Eisele), die ihre Nachbarn ausspioniert, wird dem Alltagsleben der Neckarstadt zugeordnet: „Das ist jetzt aber für Nürtingen nichts Außergewöhnliches.“
Mit unterschiedlichen Temperamenten ausgestattet, bringen denn Wilfried Sigloch und Helmut Grygiel ihren Job als Polizisten zu einem guten Ende, ohne der schon aufkeimenden Befürchtung Nahrung zu geben, Nürtingen könne sich fürderhin als weiterer Austragungsort für mehr oder weniger gelungene Heimatkrimireihen etablieren. Denn bei beiden merkte man, dass ihnen an parodistischen Anspielungen mehr gelegen war als an einer schlüssigen Beweiskette.
Oder wen mochte die Auseinandersetzung des Hauptkommissars mit dem undurchsichtigen Kollegen Kaffeeautomat nicht an den Running-Gag der Uralt-Serie „Kottan ermittelt“ erinnern? Doch gegen den stromlosen Boliden des Waschsalons blieb der Bulle Sieger. Immerhin hinterließ der Kakao, durch den Melanie Teufel als Kunststudentin Hanni Becker ihr Metier zog, auf ihrem Bild einer tanzenden Wäscheklammer keine Spuren, sodass seiner geplanten Ausstellung im Schauraum des ProVi nichts im Wege steht.
Am „Tatort Waschsalon“ gab’s sogar eine gehörige Menge genretypischer Action. heb