Mit einer Goldparmäne ins Paradies

Das Ensemble Improvisieren zeigte im Waschsalon "Endstation Eden" - Nürtinger Stattzeitung vom 7.10.2014

(to) "Einen Zipfel des Paradieses habe ich mal erhascht, als..." oder: "Ich würde ein ewiges Leben wählen, weil..." - mit solchen Sätzen auf weißen Zetteln wurden kürzlich die gut 40 Besucher des Theaterabends "Endstation Eden" im Nürtinger Waschsalon "Trommel" empfangen. Dort erlebten sie eine abwechslungsreiche Theateraufführung, die ein gänzlich neuen Improvisationsformat bot.

Unter der Leitung von Thomas Oser philosophierten die sechs Spielerinnen und Spieler des Nürtinger Ensembles "Improvisieren" einige Wochen lang zu der Frage, ob Unsterblichkeit für uns Menschen ein Traum sei oder eher einem Albtraum gleichkäme. Was bei der Aufführung am Samstag dann theatral gezeigt wurde, war dagegen nicht einstudiert, sondern entwickelte sich vielmehr ganz spontan und nach den Vorgaben des Publikums.

Dieses vervollständigte nämlich die besagten Sätze und so lagen bei Spielbeginn dann Zettel auf der Bühne, von denen im Laufe der Aufführung immer mal wieder einer das Sprungbrett für eine kleine Szenenfolge war. "Einen Zipfel des Paradieses habe ich erhascht, als ich gestern die erste Goldparmäne dieses herrlich vollen Herbstes verzehrt habe" - dieser Satz zog gleich ein paar Szenen nach sich, die vielfältig den Mythos des verbotenen Apfels variierten, und selbst zu einem kecken Adam-Eva-Tänzchen animierte, wozu Jens Otzen am Piano einfallsreich improvisierte.

Die Zuschauer konnten über die besagten Sätze hinaus, das Geschehen auch insofern mitbestimmen, als sie eine Stimmung für eine Szene oder einen Musikstil für ein Lied vorgeben konnten. Außerdem haben sie gleich anfangs Hüte, die auf der Bühne lagen, den Spielern aufgesetzt. Davon ließen sich diese zu einer Rolle inspirieren, die immer wieder ins Geschehen eingriff.

Erzählt wurde aber keine fortlaufende Geschichte, vielmehr entstand Szene um Szene eine Collage, die zahlreiche Facetten eines "paradiesischen" Lebens zeigten - mal ernst, mal heiter, mal gänzlich bizarr: So fragte sich ein Ehepaar, was es nach jahrhunderterlanger Gemeinschaft immer noch an sich fände. Und bei der Rentenversicherungsanstalt sprach eine Person mit Skaterhelm samt Brille vor: Da sie nach dem Einwurf einer Pille unsterblich geworden war, wollte sie nun wissen, welche Auswirkung dies auf ihre Beiträge habe. Die daraufhin folgende Datenaufnahme wurde als Blues-Duett intoniert.

Manche Szenen waren tiefgründig, so wenn beispielsweise ein Zitat des Nobelpreisträgers Elias Canetti, eines Todesverächters, zum Ausgangspunkt für eine Szene wurde - andere gestalteten sich eher amüsant. Immer jedoch war spürbar, dass sich Barbara Weber, Voronika Tschersich, Stefanie Sochart-Damitz, Sibylle Jannasch-Eisele, Helmut Grygiel und Mara Ebenhöh sich ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt hatten und ihre Einsichten mit großer Präsenz sowie viel Spielwitz darstellten.