Mit Freude die Stadt verändern

Nürtinger Zeitung (bg) vom 31.8.2015: Das „Forum zukunftsfähiges Nürtingen“ bündelt verschiedene Initiativen und lädt zum unverbindlichen Mitmachen ein

 

Die Seegrasspinnerei ist der Heimathafen des „Forums zukunftsfähiges Nürtingen“ um Sven Simon (links) und Thomas Oser. bg

Kein Büro, keine eigene Homepage, keine Vereinsstruktur – das „Forum zukunftsfähiges Nürtingen“ braucht nicht viel außer guten Ideen und Leuten, die sie in die Tat umsetzen. Das Forum besteht seit einem Jahr und hat in dieser Zeit schon vieles angestoßen, um Nürtingen durch nachhaltiges Denken und Handeln fit für die Zukunft zu machen.

Die beiden Koordinatoren Sven Simon und Thomas Oser blicken sehr zufrieden auf das zurück, was im vergangenen Jahr im Rahmen des Forums entstanden ist. Keimzelle ist die zukunftsfähige Suppenküche einmal im Monat. Hier treffen sich Menschen, um bei einer Suppe zwanglos und thematisch völlig offen Ideen zu besprechen, wie Nürtingen fit gemacht werden kann für die Zukunft.

Daraus entstand das Repair-Café, wo defekte Gegenstände repariert werden, damit sie länger genutzt werden können. Daraus entstand eine Vortragsreihe in Zusammenarbeit mit der Nürtinger Volkshochschule und aus den Vorträgen Initiativen wie die Solidarische Landwirtschaft (Solawi), die bereits erste Ernten eingefahren hat. Einen theoretischen Überbau bekommt alles in den philosophischen Cafés.

Nun hat das Forum fürs nächste Halbjahr ein Vortragsprogramm vorgelegt. Wenn möglich sollen die Referenten aus der Region stammen und die Vorträge nicht alleine der Information dienen, sondern einen Impuls zum Handeln setzen. „Wir wollen Ideen auf kommunaler Ebene diskutieren und gleich konkret und praktisch werden“, so Sven Simon.

Das Forum möchte das Rad nicht neu erfinden, sondern ein Netzwerk verschiedener schon bestehender Initiativen sein. Mitwirkende sind der BUND, die Gruppe „Gemeinschaftlich wohnen“, die Gruppe „Gelingendes Aufwachsen“, die nn-Akademie, die Nürtinger Stattzeitung, das Netzwerk der Künste „permaneNT“, das Repair-Café, die Solidarische Landwirtschaft, die Streuobst-Initiative, der Trägerverein Freies Kinderhaus und WIR – Wohnen in Reudern – alles Gruppen, die auf verschiedenen Feldern soziale, ökologische oder künstlerisch-kulturelle Ansätze verfolgen. Auch zur Stadtverwaltung und zur Hochschule bestehen gute Kontakte. „Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir auf verschiedenen Baustellen an etwas Gemeinsamem arbeiten und uns gegenseitig bestärken“, sagen die beiden Koordinatoren Oser und Simon. Sie sind selbst in verschiedenen Initiativen aktiv und gut vernetzt. Einmal im Monat informiert eine Rundmail über alle vielfältigen Aktivitäten.

Ökologische und Menschenrechtsfragen seien zum Beispiel aufs Engste miteinander verknüpft, Menschenrechtsverletzungen finden oft im Kampf um Ressourcen statt, wobei man wieder beim Thema Nachhaltigkeit wäre. Der Begriff „nachhaltig“ ist den Koordinatoren jedoch zu beliebig, weshalb sie sich für „zukunftsfähig“ entschieden. Das Forum fühlt sich im Geist der „Transition Town“-Bewegung und hat Kontakte zu den Gruppen in Tübingen und Esslingen, ist aber selbst nicht Mitglied des Netzwerkes, das nach zukunftsfähigen Alternativen auf regionaler Ebene sucht.

Parteipolitisch sei das Forum völlig unabhängig, aber nicht unpolitisch: „Politik ist nichts, wo man etwas bestellt und bekommt. Wer möchte, dass Demokratie funktioniert, muss sich beteiligen.“ In diesem Sinne strebt das Forum kontinuierliches Mitgestalten an – für alle. Die Koordinatoren betonen, dass alle Angebote kostenlos und daher auch für Leute mit kleinem Geldbeutel möglich sind.

Jeder sollte seine Stadt dauerhaft mitgestalten können

Über die gute Resonanz auf ihre bisherigen Angebote sind Simon und Oser sehr erfreut. Die Gruppe Solidarische Landwirtschaft hat sich spontan zusammengefunden. Ihre Mitglieder nennen sich Prosumenten, ein Mischwort aus Produzent und Konsument. Beim Repair-Café gibt es 20 bis 25 regelmäßige Helfer, die entweder etwas reparieren, oder einen Kuchen mitbringen. Eine weitere Gruppe versucht, den Traum vom gemeinschaftlichen Leben zu verwirklichen.

„Es ging gleich von null auf 100“, so Sven Simon, „Wir haben nur den Raum geschaffen, in dem alle zusammenkommen.“ Das mag der Haltung zu verdanken sein, die allem zugrunde liegt: „Wir wollen vermitteln, dass es keinen Grund gibt, verzagt in die Zukunft zu blicken, sondern dass es Spaß macht, sie zu gestalten“, so Oser. Ohne moralischen Zeigefinger sollen positive Alternativen aufgezeigt werden.

Weiter gilt das Prinzip der Regionalität. Die Referenten kommen aus der Gegend und können mit ihrem Wissen die Gruppen unterstützen. Das Ausmaß seines Engagements bleibt jedem selbst überlassen, das ist ein weiteres Prinzip: „Wir wollen, dass die Leute zwanglos und mit Freude bei der Sache sind“, so Oser.

Beide Koordinatoren sind jetzt sehr gespannt, was sich aus dem Vortrag am Mittwoch, 14. Oktober, mit Professor Christian Kreiß zum Thema „Wirtschaftswachstum als Selbstzweck: immer mehr überflüssige Produkte und unnötige Arbeit“ ergibt.

Info
Termine des „Forums zukunftsfähiges Nürtingen“

Freitag, 18. September, 17 bis 19 Uhr, Seegrasspinnerei, zukunftsfähige Suppenküche.
Sonntag, 20. September, 12 bis 13.30 Uhr, das Forum zukunftsfähiges NT bei Mobil ohne Auto auf der Gottesdienstwiese mit einem Gespräch zum Thema „Religion und Naturschutz“. Kirchenvertreter und Umweltaktivisten diskutieren über die neue Enzyklika des Papstes zur Umweltpolitik.
Sonntag, 4. Oktober, 10 bis 14 Uhr: Kultur-Brunch in der Alten Seegrasspinnerei zum ersten Geburtstag des Forums. Anmeldung unter (0?70?22) 21?61?66.
Freitag, 9. Oktober, 17 bis 19 Uhr, Seegrasspinnerei, Repair-Café.
Mittwoch, 14. Oktober, 19.30 Uhr, Vortrag mit Professor Christian Kreiß : „Wirtschaftswachstum als Selbstzweck: immer mehr überflüssige Produkte und unnötige Arbeit“, K3N, Panoramasaal.
Sonntag, 18. Oktober, 11 bis 13 Uhr, Seegrasspinnerei, philosophisches Café: Thema „Überfluss“ mit Thomas Oser.
Freitag, 30. Oktober, 17 bis 19 Uhr, Seegrasspinnerei, zukunftsfähige Suppenküche.
Sonntag, 8. November, 11 bis 13 Uhr, Seegrasspinnerei, philosophisches Café: Thema „Fraktale, Yin-Yang und der Schmetterlingseffekt“ mit Andreas Mayer-Brennenstuhl, Alfred Helmut Dürr und Thomas Oser.
Freitag, 13. November, 17 bis 19 Uhr, Seegrasspinnerei, Repair-Café.
Freitag, 20. November, 17 bis 19 Uhr, Seegrasspinnerei, zukunftsfähige Suppenküche.
Mittwoch, 25. November, 19.30 Uhr, Vortrag mit Melanie Skiba und Ragini Wahl: „Gute Flüchtlinge, schlechte Flüchtlinge? – Globale Gründe für Flucht, die EU-Politik und lokale Perspektiven der Flüchtlingsarbeit“, Glashalle des Rathauses Nürtingen.
Sonntag, 6. Dezember, 11 bis 13 Uhr, Seegrasspinnerei, philosophisches Café: Thema „Der Andere – zwischen Vergötterung und Verdammung“ mit Thomas Oser.
Freitag, 11. Dezember, 17 bis 19 Uhr, Seegrasspinnerei, Repair-Café.
Freitag, 18. Dezember, 17 bis 19 Uhr, Seegrasspinnerei, zukunftsfähige Suppenküche.
Sonntag, 31. Januar, 11 bis 13 Uhr, Seegrasspinnerei, philosophisches Café: Thema „Unser Zusammenleben weiblicher gestalten?“ mit Gabriele C. Kapp und Thomas Oser.
Mittwoch, 17. Februar, 19.30 Uhr, Vortrag mit Klaus Gräff: „(T)olle Scholle? Wie lassen sich 10 Milliarden Menschen ernähren?“ HfWU Nürtingen, Campus Innenstadt, Raum CI2 111.

Kontakt zum Repair-Café: repaircafe@nuertingen.org. Näheres unter www.nuertinger-stattzeitung.de.