Von Samba bis Punk war alles geboten

Heinz Böhler in der Nürtinger Zeitung vom 14.9.15 über das ARTerminal und seinen interdisziplinären Kunst-Workshop "turmUMbau zu babel"

NÜRTINGEN. „Ju haf tu danz“ – mit den von ihren Fans frenetisch gefeierten Balkan-Sounds der Nürtinger Band „Rasga Rasga“ ging am Samstagabend im Hof der alten Seegrasspinnerei in der Plochinger Straße der musikalische Teil des Kunst- und Kultur-Festivals „ArtTerminal“ zu Ende. Von Donnerstag bis Samstag hielten Sawako Nunotani, Alexandra Ott, Thomas Oser und Helmut Grygiel sowie Andreas Mayer-Brennenstuhl und Jörg Seemann Workshops zu den Themen Tanz, Musik, Theater und bildende Kunst.
David Presna aus Haiti bezauberte die Zuhörer mit amerikanischen und französischen Songs. Fotos: Heinz Böhler

Viele „Sprachen“ also, wenn man so will. Doch keine erschien dem Idiom des jeweils anderen unverständlich. Kein Wunder, hatte man sich doch mit dem Umbau des Turmes zu Babel die Harmonisierung der Grundregister menschlicher Ausdrucksformen zum hehren Ziel gesetzt. Entstanden ist dabei eine Rauminstallation, in der die Klänge eines Trommel-Ensembles, mit einem Theaterstück, getanzter Bewegung und mittels Overheadprojektoren an die Wände geworfenen Collagen perfekt kommunizieren.

Rasga Rasga lockten das Nürtinger Publikum an

An den Abenden der drei ArtTerminal-Tage ergänzte ein nach dem Motto „Umsonst und draußen“ zusammengestelltes Livemusik-Programm den kulturellen Anspruch des Festivals. Mit einer sehr temperamentvollen Präsentation moderner brasilianischer Tänze wusste zum Auftakt die Tänzerin Pierangela das allerdings noch etwas spärliche Auditorium zu begeistern, gefolgt von der Nürtinger Sängerin Lara Hiby, die aus der Not – ihr ursprünglicher Begleitmusiker Reiner Hiby war verhindert – eine Tugend machte und ein kurzfristig mit dem jungen Gitarristen Lennart Beßler eingeübtes Balladenprogramm absolvierte.

Technische Probleme zwangen den dritten Musiker des Donnerstagabends zur Improvisation. Doch Bertram Tills Vorstellung seiner Songs und Gitarrenstücke kam auch ohne die vorgesehene Video-Unterstützung bestens an. Solches kann man auch von dem Opener-Act des folgenden Freitags sagen. Mit Songs, wie Meghan Trainors „All about the Bass“ und dem Alt-Neu-Hit „Arschloch“ von der Infantilrockband „Die Ärzte“ brachte das Gitarrenduo Daniel und Simon die rund 30 Zuhörer schon mal in Stimmung.

Wer sich nun auf einen entsprechend ruhigen Abend eingestellt hatte, sah sich getäuscht, denn die Punkgruppe „Dislike“ hatte neben ihren Instrumenten auch gleich den eigenen Fanclub mitgebracht. Das hatte zur Folge, dass auf der Tanzfläche im Hof der alten Seegrasspinnerei mit den ersten Akkorden der Pogo ausbrach. Die Symptome zeigten sich in dem unersättlichen Bedürfnis der Tänzer nach brachialen Formen des Körperkontaktes. Alle Regler nach rechts, lautete die Devise auf der Bühne, und los ging’s mit einer hemmungslosen Orgie der Selbstdarstellung und eher emotional geprägter Gesellschaftskritik.

Auch Punk, aber von der gereifteren Sorte war angesagt, als gegen später die drei Musiker um die singende Schlagzeugerin Manu ihren musikalischen Intentionen freien Lauf lassen konnten. Mit ironischen Texten, in straff organisierte Songs verpackt, hatte das Trio das Publikum rasch auf seiner Seite.

Dessen Anzahl sollte sich am Samstag mindestens verzehnfachen. Mehr als 300 Musikfans waren gekommen um ihre Lieblingsband „Rasga Rasga“ zu feiern. Getrieben von der faszinierenden Bühnenpräsenz ihrer Sängerin Franziska Schuster brachten die Nürtinger Musiker die Stimmung vor der Bühne zum Kochen.

Davor hatte der aus Haiti stammende Songwriter David Presna mit seinen Songs der Elterngeneration aus der Seele gesungen, auf Englisch (Sam Cooks „Wonderful World“) und Französisch. Am Sonntag traf man sich seitens der Workshop-Teilnehmer zu einem abschließenden Gespräch bei gemeinsamem Mittagessen und einer internen Vorführung des zusammen erarbeiteten „Turm-Umbaus zu Babel“.