Künstlerische Impulse für eine enkeltaugliche Gesellschaft

Die Zeitschrift oya lud zu einem Netzwerk-Treffen in die Alte Seegrasspinnerei ein

Nürtinger Zeitung vom 11. März 2016

Mehr als sechzig Personen aus ganz Baden-Württemberg, rund die Hälfte davon aus Nürtingen und Umgebung, nahmen am vergangenen Samstag an einem Netzwerk-Treffen in der Nürtinger Alten Seegrasspinnerei teil. Die zentrale Fragestellung lautete, wie die Kunst ein nachhaltiges Leben befördern könne. Eingeladen hatte die Zeitschrift oya, die nahe der Halbinsel Usedom ihren Redaktionssitz hat und über enkeltaugliche Ideen und Projekte vor allem im deutschsprachigen Raum berichtet.

Da die Alte Seegrasspinnerei, die Nürtinger Gemeinderatsliste NT14, die nn-akademie und das Forum zukunftsfähiges Nürtingen schon einmal in oya-Heften vorgestellt wurden, fiel es der oya-Chefredakteurin Lara Mallien leicht, in Nürtingen anzufragen, ob hier der erste große oya-Tag stattfinden könne. Dies umso mehr, als die Alte Seegrasspinnerei die geeigneten Räume für das vielseitige Programm bieten konnte.

Da zudem die Frage, wie die Kunst den notwendigen gesellschaftlichen Wandel voranbringen könne, im Zentrum stehen sollte, empfahl sich Nürtingen umso mehr: Denn hier wirken sowohl die nn-akademie als auch das Forum zukunftsfähiges Nürtingen, die eben zu dieser Frage forschen und mit dieser in ihrer Arbeit umgehen. Außerdem gibt es hier auch einige Künstler des Netzwerkes permaneNT, die anboten, am oya-Tag mitzuwirken.

Moderiert wurde dieser von Maria Hullermann von der nn-akademie und Thomas Oser vom Forum zukunftsfähiges Nürtingen. Nachdem Lara Mallien die Zeitschrift oya und Julia Rieger die Alte Seegrasspinnerei vorgestellt hatten sowie ein erstes Brainstorming zur Frage „Was kann Kunst?“ über die Bühne gegangen war, begann eine erste Sequenz mit künstlerischen Workshops: Tanz (Sawako Nunotani), Klang & Rhythmus (Alexandra Ott), Maria Hullermann (Mandalamalen), Installation (Andreas Mayer-Brennenstuhl) und Theaterimprovisation (Thomas Oser und Helmut Grygiel). Außerdem zog Claudia von Knorr mit einer Gruppe für eine Klanginstallation in den Turm der Nürtinger Stadtkirche und Georgia Borchart von der Werkstatt für Lebenskunst in Wendlingen führte in das Thema „Kunst im Alltag“ ein.

Darauf folgten zwei Open-Space-Runden, für welche jeder Teilnehmer Wünsche äußern konnte und auch konkrete Angebote machen konnte. In diesen Sequenzen wurde diverse künstlerische und kulturelle Initiativen wie die nn-akademie, das Schaffwerk in Pfullingen und das Projekt „parallele landschaften“ vom Bodensee vorgestellt. Außerdem gab es Angebote zu  heilsamem Singen und achtsamen Begegnungen sowie Gesprächskreise zu gesellschaftlichen und politischen Fragen - so unter anderem zu einer Kampagne gegen Ackergifte.

Zwischendurch traf man sich immer wieder im Plenum: In dem Oval in der Kulturkantine waren zwei Schemel aufgestellt, von denen aus entweder eine Frage gestellt oder ein Statement abgegeben werden konnte – und zwar zu der Frage „Was kann Kunst?“ Diese durchzog wie ein Mantra den ganzen Tag. Dabei ging es nicht nur um die Kunst in Galerien oder auf Bühnen, vielmehr orientierte man sich an dem erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys, der nicht zuletzt das gesellschaftliche und politische Geschehen selbst als einen künstlerischen Prozess zu begreifen suchte.

Integriert in den Ablauf des Tages war auch das gemeinsame Kochen: Die Teilnehmer hatten, absichtlich ohne sich abzustimmen, Gemüse mitgebracht und Linda Müller, die Köchin der Kulturkantine, bereitete mit einer Gruppe die Speisen zu. Da war ein besonderes improvisatorisches Geschick gefragt, zugleich zeigte sich, wie gut künstlerisches Tun mit alltäglichen Bedürfnissen verbunden werden kann.

Der Abend klang mit einer offenen Performance aus: Jeder konnte seine Erkenntnisse, die er an dem Tag gewonnen hatte, in einer frei gewählten Form ausdrücken. Flankiert und kommentiert wurden die Beiträge von den Klängen der Musiker Alexandra Ott und Bamba Amsberg sowie der Theatergruppe Charmeützel: Nachdem Johannes Heimrath, der Herausgeber von oya, beispielsweise verraten hatte, dass er unter dem Heuberg bei Spaichingen geboren wurde, entführten die Charmeützels die Zuschauer in die Kinderstube von Heimrath und zeigten, wie seine journalistische Zukunft ihm einst in Schwaben in die Wiege gelegt wurde.