Den Hobby-Mimen des Groschentheaters ging es in erster Linie um Geld. Foto: heb

Den Hobby-Mimen des Groschentheaters ging es in erster Linie um Geld. Foto: heb

"Soldaten bezahlen mit dem Leben"

Nürtinger Zeitung über die Premiere "Groschentheater"

Am Samstagabend gastierte die Schauspielgruppe Groschentheater im Zentralsaal

NÜRTINGEN. Einen weiteren Glanzpunkt innerhalb der Projektreihe „Das liebe Geld und andere trügerische Angelegenheiten“ bot am Samstagabend die freie Schauspielgruppe Groschentheater. Unter der Leitung von Thomas Oser gastierten acht Hobby-Schauspieler auf Einladung des Kulturvereins Provisorium mit einer Revue, die sich fast ausschließlich um „einen Euro“ drehte, im Zentralsaal der Stadthalle.

„Hier ging es in den letzten Wochen ja fast nur noch um Geld“, rechtfertigte Thomas Oser zu Beginn des ersten öffentlichen Auftritts einer kleinen Theatergruppe, die sich auf seine Initiative hin im Rahmen der kulturellen Aktivitäten der Alten Seegrasspinnerei zusammengefunden hatte. Also wollten sich nun auch die sechs Frauen und zwei Männer des Groschentheaters mit diesem Thema auseinander setzen. Und, zugegeben, sie taten das konsequent. Denn anders als sonst im „Provi“, war man bereits vor Erreichen des nur scheinbar sicheren Sitzplatzes einige Ein-Euro-Stücke los. Davon sollte man, wie sich herausstellte, im Laufe des Abends noch einige dranrücken müssen. Denn am Samstag bewachte ein Zerberus in Weiß die Toiletteneingänge. Nur nach Einwurf einer Euromünze in ein Blechschälchen konnte man seinem Bedürfnis freien Lauf lassen. Ein Garderobier übernahm zwar Münzen, aber keine Haftung und an der Theke warteten, hungrigen Wölfinnen gleich, Animierdamen ebenso auf Kundschaft wie ein traurig blickender Blumenverkäufer.

Dann endlich der Einlass – und schon ging es in medias res, nämlich um? Genau: „Soldaten brauchen kein Geld – sie bezahlen mit ihrem Leben“ und ähnlich tiefsinnige Sprüche über die Beziehung des Menschen zur Penunze erklangen zur Einführung ins Thema. Den Satz „Geld ist . . .“ zu vervollständigen war das Publikum danach aufgerufen und die Schauspieler hatten die Aufgabe, sich spontan eine Szene zu Begriffen wie „Packpapier“ („Ich bin ein Rollmops“) oder „Menschenschwäche“ einfallen zu lassen.

„Taler, Taler, du musst wandern.“ Das Kinderliedchen könnte der Anstoß für die Odyssee gewesen sein, die der letzte Euro aus der Tasche einer Hartz-IV-Empfängerin innerhalb eines Tages erlebte. Aus dem Hut der Bettlerin Marie kam er in die Jogginghose der Yoga-Lehrerin Yolanda, von dort in die Tasche einer Immobilienmaklerin, die ihn ihrem musikalischen Sohn für den Erwerb einer Gitarre weiterreichte. Nach drei weiteren Stationen landete er wieder bei unserer Arbeitslosen.

Phantasie war gefragt

Nun war es wieder am Publikum, Eurostücke für die Tourneefahrkarten einer offenbar nicht aus dem Nürtinger Kulturfonds geförderten Theatergruppe auszuschwitzen. Damit bezahlte man die Fortsetzung der Geschichte oder besser gesagt einen Blick in die Glaskugel des Schicksals, wie es sich die Schauspieler ausmalten. Phantasie war gefragt und wurde – für Geld – reichlich geliefert.

Da das in der Zwischenzeit angesammelte Geld immer noch nicht reichte, um eine Fahrkarte der Truppe nach Metzingen finanzieren zu können, mussten Schauspieler geopfert werden. Je einen Mann und eine Frau bot man auf dem exklusiven Markt im Zentralsaal zum Ersteigern an. Gesteigert wurde amerikanisch. Damit war gemeint, jedes Gebot musste mit einem Euro bezahlt werden. Und nur das letzte Gebot zählte, so dass einem Gast die Einrede mangelnder Volljährigkeit des Siegers nichts nützte. War auch nicht nötig, erwies sich doch der junge Mann, den Umgang mit Frauen betreffend, als reichlich abgebrüht: „Ich habe zwei Schwestern“, war zu hören. Da wird er doch wohl auch an der Bar seinen Mann gestanden haben. Heinz Böhler